Teil 8: Welchen Einfluss hat das Wunschkind auf das System?

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Einen Kinderwunsch hat niemand für sich allein, auch wenn es sich für Betroffene manchmal so anfühlt. Er beeinflusst die Partnerschaft, die gemeinsamen Zukunftsvisionen und das Verhalten im gesamten sozialen Umfeld. Der Kinderwunsch steht im Spannungsfeld zwischen eigenen Erwartungen, jenen des Partners und der Herkunftsfamilien, der Berufs- und Karriereplanung sowie dem Vergleich mit dem Freundeskreis. Kinderlosigkeit beeinflusst im besonderen Maße die eigene und die systemische Biografie über Generationen: ohne Kind keine Elternschaft und ohne Enkel keine Großelternschaft. Vielleicht keine Kinder bekommen zu können bedeutet demnach eine potenzielle Leerstelle in der Biografie mit Auswirkungen auf die Generationenfolge. Allein dieser Gedanke kann für Kinderwunschpaare sehr belastend wirken und mit massiven Schuldgefühlen einhergehen.

Diese Ohnmacht und das Gefühl des Kontrollverlustes über das eigene Leben können eine heftige Erschütterung und häufig auch einen Wendepunkt in der Biografie eines Menschen darstellen. Die Pläne, die Lebensträume, die gemeinsamen Visionen können nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden. Basierend auf den Erfahrungen der eigenen Kindheit offenbart die Vision des geplanten Familienglücks eine tiefe Sehnsucht nach Frieden, Harmonie und Zusammengehörigkeit, durch die ein Kinderwunsch überhaupt erst eine derart existentielle Dimension erfährt.

Die systemische, psychosoziale Beratung bietet Raum für diesen Schmerz und die Trauer um das Wunschkind, das nicht geboren wird. Wunscheltern können als verwaiste Eltern wahrgenommen werden – unabhängig vom Eintreten einer Schwangerschaft oder dem Zeitpunkt des Verlustes einer Schwangerschaft. Dieser Schmerz um das ungeborene Kind, kann sich wie ein Phantomschmerz anfühlen, ganz so, als wäre das Kind bereits da und doch nicht anwesend.

In der professionellen Kinderwunschberatung werden die mit dem unerfüllten Kinderwunsch auftretenden Gefühle der Verzweiflung anerkannt. Dem geplanten, aber bisher nicht geborenen Kind im Rahmen der systemischen Methoden einen Platz im Genogramm oder auf dem Familienbrett zu geben, kann ein erster Schritt in die aktive Verarbeitung sein. Dies kann durch eine Figur oder durch ein Symbol, wie zum Beispiel einem Edelstein erfolgen. 

Das aktive Zulassen von Trauer und das Fühlen von nicht erwünschten Gefühlen wie Angst, Neid oder Wut ist demnach ein ganz zentraler Punkt im Umgang mit einem unerfüllten Kinderwunsch. Die psychosoziale Lebens- und Sozialberatung kann hier den Wunscheltern ein Gegenüber bieten, um die schweren Erlebnisse um das Nicht-Ereignis teilen zu können.

Danke fürs Lesen, Teilen, darüber Sprechen und ich würde mich über Nachrichten, Kommentare oder persönliche Gespräche sehr freuen.

Alles Liebe,

Birgit

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